08.04.2012 08:00BERLIN. Wer ein altes Haus kauft, um es selbst zu bewohnen, der steht vor der Wahl: Umbau und Sanierung oder lieber gleich Abriss und Neubau. "Viele Menschen scheuen aber vor der zweiten Möglichkeit zurück", beobachtet Dipl.-Ing. Reimund Stewen, Vorstandsmitglied des Verbands Privater Bauherren (VPB) und Regionalbüroleiter in Köln. "Dabei ist das gerade für die in den 1960er und 1970er Jahren gebauten Häuser oft die vernünftigste Lösung."
Das Thema ist aktuell, denn die Bauten aus den Wirtschaftswunderjahren stehen zum Verkauf. Die Bauherren von einst übersiedeln ins Seniorenwohnheim oder sterben. Ihre Erben besitzen längst eigene Immobilien und verkaufen die elterlichen Heime. Im Angebot sind große und kleine Bungalows, Ketten- und Atriumhäuser, großzügige Reihenhäuser. Allen gemeinsam ist ihre schlechte Energiebilanz.
Sind die Häuser großzügig geschnitten und genügt das Platzangebot auch heutigen Wohnwünschen, dann lohnt es sich, über die energetische Sanierung nachzudenken und anhand eines Sanierungsgutachtens zu prüfen, ob sich die Erneuerung lohnt. "Meist sind aber die Grundrisse verwinkelt, die Räume klein, die Haustechnik veraltet", gibt Bausachverständiger Stewen zu bedenken. "Planen deshalb die neuen Eigentümer ohnehin größere Um- und Anbauten, rechnen sich fast immer Abbruch und Neubau."
Die Altimmobilien haben viele Mängel: Dünne, nur 24 Zentimeter starke Außenwände aus nicht dämmenden Hohlblock- oder Bimssteinen, große einfach verglaste Fensterflächen, Elektrospeicherheizungen, ungedämmte Flachdächer. "Diese Bungalowdächer wurden früher außerdem häufig als Kaltdachkonstruktionen ausgeführt", erläutert der Experte. "Das heißt, unterhalb der Abdichtung zirkulierte die Luft. Sollen sie heute saniert werden, reicht es nicht, einfach eine Dämmschicht auf die Abdichtung zu legen, sondern der gesamte alte Dachaufbau muss entfernt und mit der Dämmung neu aufgebaut werden. Das wird dann entsprechend teurer."
"Damals wurde noch ohne Rücksicht auf Energiekosten geplant. Heizöl war billig und bis zur Ölkrise 1973 scheinbar unendlich vorhanden", erinnert Bausachverständiger Stewen. Nach dem Öl-Embargo begannen Politiker, Planer und Bauherren umzudenken. Die erste Wärmeschutzverordnung sah 1977 erstmals energiesparende Baustoffe vor, die Doppelverglasung hielt Einzug im Wohnhausbau. "Heute ist das Niedrigenergiehaus längst Standard. Der Trend geht Richtung Energieplushaus, und das lässt sich nur im Neubau realisieren. Wer also vor der Wahl steht, einen Altbau teuer nachzubessern oder lieber neu zu planen, der schafft sich mit dem Neubau eine bessere Ausgangsposition für die zukünftigen Entwicklungen", rät der VPB- Experte.
Wer neu baut, der kommt in den Genuss zinsgünstiger KfW-Darlehen. "Allerdings sollten Bauherren niemals an der Planung und der baubegleitenden Qualitätskontrolle sparen", rät Bauherrenberater Stewen, "denn rund die Hälfte aller Neubauten entspricht trotz strenger Vorgaben noch nicht der Energieeinsparverordnung (EnEV)."
Dies hat der VPB in bereits zwei Untersuchungen festgestellt.
Bauherren bezahlen zwar für hohen Energiestandard, aber sie bekommen ihn oft nicht. "Das hat viele Gründe, meistens mangelnde Kontrolle der Energieberechnungen und schludrige Umsetzung der Planungen auf der Baustelle."
Einen Bonus haben die meisten Nachkriegshäuser allerdings: Sie stehen nicht nur zentrumsnah, sondern auch auf großen Grundstücken. Bauherren können sich Abbruch und Neubau finanziell erheblich erleichtern, wenn sie das große Grundstück teilen, die Hälfte verkaufen - und eventuell mit den neuen Nachbarn gemeinsam ein Doppelhaus planen. Allerdings sollte niemand ein solches Grundstück auf gut Glück kaufen, warnt der VPB, sondern vorher prüfen, ob Abbruch, Teilung und Neubebauung rechtlich an dieser Stelle überhaupt möglich sind.
Weitere Infos:
www.vpb.de