23.05.2012 08:00(dmb) Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes (DMB) ist die Energiewende, das heißt die energetische Modernisierung des Gebäudebestandes sinnvoll und notwendig. Bisher lässt die Bundesregierung ihren Absichtserklärungen – Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 – aber keine Taten folgen. „Es gibt kein Konzept, ich kann noch nicht einmal erkennen, wer in der Bundesregierung verantwortlich ist für die energetische Gebäudesanierung. Umwelt-, Wirtschafts- und Bauministerium streiten über Inhalte der neuen Energieeinsparverordnung, das Justizministerium will Mieterrechte abschaffen, um energetische Modernisierungen voranzutreiben, und die vom Finanzminister zur Verfügung gestellten Fördermittel reichen vorn und hinten nicht aus. Zu der eigentlichen Problematik, wer und wie die Modernisierungskosten gezahlt werden sollen, äußert sich kein Ministerium“, kritisierte der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, die Regierungskoalition auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Berliner Energietage 2012. „Ich fürchte, der Energiewende im Gebäudebereich geht die Luft schon aus, bevor sie richtig angefangen hat.“
Zuständigkeiten innerhalb der Bundesregierung klären
Aus Sicht des Deutschen Mieterbundes wird die energetische Sanierung der Wohnungsbestände von der Bundesregierung bisher ausgesprochen stiefmütterlich behandelt. Es existiert bis heute kein Konzept, wie jährlich 2 Prozent des Gebäudebestandes saniert werden können. Diese energetische Modernisierung von 800.000 Wohnungen pro Jahr würde bei durchschnittlichen Sanierungskosten von 200 bis 300 Euro pro Quadratmeter etwa 12 bis 17 Milliarden Euro kosten – jedes Jahr, bis zum Jahr 2050.
„Wer für die Umsetzung dieser riesigen Herausforderung in der Bundesregierung letztendlich verantwortlich ist, kann ich nicht erkennen“, erklärte Siebenkotten. Das Verkehrs- und Bauministerium ducke sich in diesen Fragen weg bzw. streite mit dem Umwelt- und dem Wirtschaftsministerium zum Beispiel über Fragen einer neuen Energieeinsparverordnung. Das Finanzministerium stelle zu wenige Fördergelder zur Verfügung bzw. kürze diese sogar noch. Und die Vorstellungen des Bundesjustizministeriums zur energetischen Gebäudesanierung erschöpften sich in der Idee, Mieterrechte abzubauen und zu streichen.
Siebenkotten: „Beim Thema energetische Gebäudesanierung herrscht ein babylonisches Sprachengewirr und ein Zuständigkeitschaos. Notwendig ist deshalb jetzt die Festlegung, wer in der Bundesregierung für die Umsetzung der Energiewende im Gebäudebereich sorgen soll, wer verantwortlich und wer zuständig ist.“
Vorgaben für Neubau und Wohnungsbestand formulieren – Zeitplan erforderlich
Für die Energiewende im Gebäudebestand gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Die Position der Bundesregierung zur EU-Energieeffizienzrichtlinie ist unklar. Die Energieeinsparverordnung regelt in erster Linie Vorgaben zur Energieeffizienz im Wohnungsneubau. Bei einem Neubauvolumen von 160.000 bis 200.000 Wohnungen im Jahr kann der Neubau aber nicht die entscheidende Rolle bei der Energiewende im Gebäudebereich spielen.
„Ich wünsche mir, dass bei der jetzt zu beschließenden Energieeinsparverordnung 2012 die Anforderungen an den Wohnungsneubau nicht hinter dem aktuell technisch Möglichen zurückbleiben. Wichtig ist aber vor allem, dass auch über Vorgaben für den Wohnungsbestand diskutiert wird“, sagte der Mieterbund-Direktor. Es reiche nicht aus, Zielvorgaben für 2020 oder 2050 zu formulieren. Notwendig seien konkrete Anforderungsbeschreibungen auch für die Wohnungsbestände.
Siebenkotten: „Dazu gehört ein konkreter Zeit- und Ablaufplan, vor allem aber auch eine Strategie, wie die energetische Sanierung hier schrittweise umzusetzen ist. Die Bundesregierung muss für Klarheit sorgen. Eigentümer, Vermieter und Mieter müssen wissen, woran sie in den nächsten Jahren sind.“
Öffentliche Förderung ausbauen
Eine Verdoppelung der Sanierungsquote auf 2 Prozent pro Jahr im Wohnungsbestand setzt nach übereinstimmender Ansicht von Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft, Umweltverbänden, Wissenschaftlern und Deutschem Mieterbund einen massiven Ausbau der öffentlichen Förderung voraus.
„Ohne ausreichende öffentliche Mittel ist die Sanierung der Wohnungsbestände nicht zu finanzieren, sind daraus resultierende Mieterhöhungen für Mieter nicht bezahlbar“, sagte der Mieterbund-Direktor. „Wer glaubt, doppelt so viele Wohnungen wie bisher mit einer niedrigeren öffentlichen Förderung modernisieren zu können, irrt.“ Notwendig sei die öffentliche Förderung in Höhe von mindestens 5 Milliarden Euro. Zurzeit stünden 1,5 Milliarden Euro jährlich im Rahmen des CO2-Gebäudesanierungsprogramms zur Verfügung.
Abbau von Mieterrechten überflüssig und wirkungslos
Die Bundesregierung plant ein Mietrechtsänderungsgesetz und will eine Reihe von Regelungen im Zusammenhang mit energetischen Modernisierungsmaßnahmen zum Nachteil der Mieter ändern. So soll beispielsweise das Mietminderungsrecht bei Baumaßnahmen zur energetischen Modernisierung für drei Monat vollständig ausgeschlossen werden. Das bedeutet, trotz Baulärms, Dreck, Einrüstung des Gebäudes und Verdunkelung der Wohnung oder trotz Ausfall der Heizungsanlage und der Warmwasserversorgung soll der Mieter weiter die volle Miete zahlen.
„Damit schafft die Bundesregierung ein ‚Grundrecht für Verbraucher‘ teilweise ab. Egal, ob im Kaufrecht, Reiserecht oder bei Handwerkerverträgen – niemand muss 100 Prozent zahlen, wenn die Gegenleistung nicht zu 100 Prozent erbracht wird“, erklärte Siebenkotten. „Ich bezweifle, dass die Abschaffung des Mietminderungsrechts für die Investitionsentscheidung des Vermieters irgendeine Rolle spielt. Wenn in einem zu modernisierenden 10-Familien-Haus tatsächlich zwei Mieter die Miete um 20 Prozent kürzen sollten, wäre das bei einer durchschnittlichen Miete von 600 Euro ein Betrag von 240 Euro im Monat. Davon macht kein vernünftig denkender Eigentümer Investitionen in Höhe von mehreren hunderttausend Euro abhängig.“
Darüber hinaus sollen sich Mieter nach den Vorstellungen der Bundesregierung auf Härtegründe im Vorfeld der Modernisierungen nur noch einen Monat lang berufen können. Der Einwand der wirtschaftlichen Härte, wonach die Miete nach der Modernisierung unbezahlbar wird, soll nicht mehr vor Beginn der Arbeiten geprüft werden, sondern im Mieterhöhungsverfahren selbst. Und außerdem sollen die formalen Anforderungen an die Begründungspflicht des Vermieters bei Modernisierungen gesenkt werden.
Siebenkotten: „Hinter den Regelungen des Mietrechtsänderungsgesetzes steht offensichtlich die Vorstellung der Bundesregierung, mit dem Abbau von Mieterrechten könnten Investitionen ausgelöst und energetische Modernisierungen vorangetrieben werden. Das ist aber schlicht falsch. Stattdessen muss die Frage beantwortet werden, wer die Kosten der energetischen Modernisierungen tragen muss. Dazu enthält die Gesetzesinitiative der Bundesregierung jedoch keine Antwort.“
Neuregelung von Mieterhöhungsvorschriften notwendig
Nach geltendem Recht können Vermieter 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen. Schon eine Baumaßnahme, die 100 Euro pro Quadratmeter kostet, führt bei einer 80 qm großen Mietwohnung zu einer monatlichen Mieterhöhung von mehr als 73 Euro. Nach Angaben der Wohnungswirtschaft kostet eine durchschnittliche energetische Modernisierung aber 300 Euro pro Quadratmeter. Das würde die Miete für die 80 qm große Wohnung um 220 Euro im Monat verteuern.
Dem stehen monatliche Heizkosten von durchschnittlich 76 Euro gegenüber. Selbst bei einer Heizkostenersparnis von 50 Prozent müsste der Mieter unter dem Strich künftig 180 Euro mehr im Monat für seine Wohnung zahlen. „Das ist unrealistisch, so wird für viele Mieter die energetisch modernisierte Wohnung unbezahlbar“, erklärte Siebenkotten. „Die Kosten der Gebäudesanierung dürfen nicht einseitig nur auf die Mieter abgewälzt werden. Die Kosten sind aufzuteilen auf Vermieter, die von der Wertsteigerung ihrer Immobilie profitieren, auf Mieter, die niedrigere Heizkosten haben, und auf den Staat, der die Energiewende und seine Klimaschutzziele verwirklicht sehen will.“
Der Deutsche Mieterbund lehnt die bisherigen Mieterhöhungsregelungen, das heißt die Umlage von 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete, ab. „Die aktuell geführte Diskussion um eine Reduzierung der Modernisierungsumlage auf 9, 7 oder 5 Prozent zeigt zwar in die richtige Richtung, reicht aber zur Lösung des Problems nicht aus. Die derzeitige Mieterhöhungsregelung blendet den Erfolg der Modernisierung, das heißt die tatsächliche Energieeinsparung bzw. die reduzierten Heizkosten, völlig aus. Sie ist daher von Ansatz her falsch. Wir fordern die Berücksichtigung des energetischen Zustandes des Hauses und der Wohnung im Mietspiegel. Bei der ortsüblichen Vergleichsmiete soll und muss sich im Mietpreis ausdrücken, ob das Haus schlecht bzw. gar nicht saniert wurde, das heißt letztlich, mit welchen Heizkosten Mieter hier rechnen müssen.“
Informationsangebote schaffen – Transparenzinstrumente nutzen
Eigentümer, Vermieter und Mieter sollten besser über die Höhe der Energieverbräuche und –kosten informiert sein. Nur wer weiß, welche Verbräuche entstehen und wie teuer sie bezahlt werden müssen, kann reagieren. Nur wer über Möglichkeiten der energetischen Sanierung und Einsparpotenziale informiert ist, wird investieren oder damit verbundene – vorübergehende – Kostensteigerungen akzeptieren.
Zusammen mit co2online legt der Deutsche Mieterbund jedes Jahr einen Heizspiegel vor, jetzt den Heizspiegel für das Abrechnungsjahr 2011. Hier können Mieter und Eigentümer ablesen, ob sie mit den Kosten ihres Gebäudes niedrig oder zu hoch liegen. Differenziert wird nach Größe des Gebäudes und den Energieträgern Öl, Gas und Fernwärme.
Der Energieausweis könnte ein wichtiges und richtiges Informations- und Transparenzinstrument sein. Dass er dies in der Praxis bisher nicht ist, liegt an den vielen Kompromissen, die die Bundesregierung bei der Einführung des Energieausweises eingegangen ist.
„Wir brauchen einen bedarfsorientierten Energieausweis, der verlässliche und überprüfbare Daten enthält. Der Energieausweis ist allen Mietern zugänglich zu machen, und die darin enthaltenen Daten müssen kontrolliert werden“, forderte Siebenkotten.
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